Europe
15. Oktober 2013

Internationalisierung per Cross-Border

Die Anzahl der von deutschen Unternehmen getätigten Unternehmensübernahmen ist in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gestiegen. Dabei dominieren die nationalen Transaktionen gegenüber den grenzüberschreitenden, also Cross-Border-Transaktionen, nach wie vor. Damit internationale Zukäufe gelingen, sollten Unternehmen einige Punkte beachten.

ETWA 40 PROZENT DER TRANSAKTIONEN deutscher Unternehmen sind grenzüberschreitend. Waren es 2004 nur ca. 140 internationale Transaktionen, so sind es heute mehr als doppelt so viele. Zukäufe in vertrauten, nahen Märkten werden weit häufiger getätigt als in weit entfernten Ländern. Nicht überraschend sind Übernahmeziele in der Schweiz und Österreich aufgrund der gleichen Sprache besonders attraktiv, aber auch Italien, die Niederlande, Frankreich, Großbritannien und Schweden sind aufgrund der lokalen Nähe und ähnlicher Rahmenbedingungen von Interesse (Abb. 2). In den letzten Jahren rückten zunehmend die USA und die Wachstumsmärkte Indien und China in den Fokus der Akquisitionsüberlegungen.

Das Interesse gilt über alle Branchen hinweg. Es gilt, günstige Produktionsstandorte zu erwerben oder sogar Zugang zu Technologien zu bekommen. Bemerkenswert ist, dass sich laut Zahlen von Mergermarket über 50 Prozent der Übernahmen auf einen Transaktionswert unter 50 Mio. Euro konzentrieren. Hier werden risikobewusst Ergänzungen gesucht, die in das Unternehmen integriert werden.

Motive für Cross-Border-Transaktionen

Die Gründe für Cross-Border-Transaktionen sind vielfältig. Wichtigstes Motiv für deutsche Unternehmen ist die Erschließung neuer Absatzmärkte mit Hilfe eines Unternehmens im lokalen Markt. Oftmals sind die Grenzen des Wachstums im eigenen Heimatmarkt der Anstoß, sich anderen Ländern zuzuwenden. Es kann aber auch eine Transaktion erforderlich sein, wenn ein globaler Kunde Wertschöpfung durch lokale Entwicklungs- und Produktionsstandorte verlangt. In diesem Fall sollte nach geeigneten Unternehmen in den wichtigsten Märkten der Kunden – gemäß „Follow your Customer“ – geschaut werden.

Mergermarket

Weitere wichtige Gründe können die Erweiterung des Produkt- und Serviceangebots bis hin zur Sicherung wichtiger Lieferbeziehungen für kritische Komponenten sein. Während in den letzten Jahren sicherlich neben dem Marktzugang auch die Produktionskostenvorteile im Vordergrund standen, ist heute auch das Interesse deutscher Unternehmen an lokaler Technologie und Entwicklungsressourcen zu beobachten.

Fremdes Terrain

Der Erwerb eines Unternehmens, zumal im Ausland, ist nicht einfach. Vieles ist unbekannt oder nicht im gleichen Maße vertraut wie im eigenen Markt. Zu allererst können durch die fremde Sprache wichtige Informationen im Transaktionsprozess verloren gehen.

Auch geopolitische Überlegungen spielen eine Rolle. So waren beispielsweise die Hoffnungen, in osteuropäische Staaten, Russland oder Südamerika zu investieren, sehr hoch – heute gibt man sich deutlich zurückhaltender. Es gelten andere Gesetze, Kapitalverkehrsbeschränkungen, nationale Steuerregelungen, die selbst für die Experten nicht immer eindeutig zu lesen sind. Außerdem nationale Rechnungslegungen, die selten den internationalen Standards entsprechen. Themen wie Stabilität von Regierung und Währung, Wachstumsaussichten des Landes oder aber scheinbar banale Sachverhalte wie die Zuverlässigkeit der Stromversorgung können für eine Transaktion eine Rolle spielen.

Zudem sind die Unternehmenskulturen im Ausland im Vergleich zum Inland verschieden. Es gibt andere Geschäftsgepflogenheiten und ein anderes Compliance-Verständnis.

Schlüsselfaktor Due Diligence

Daher ist eine ausführliche Due Diligence der verschiedenen Unternehmensbereiche unerlässlich, um die Unterschiede verstehen und bewerten zu können. Folglich dauert der Akquisitionsprozess einer Cross-Border-Transaktion in der Regel deutlich länger. Wer in Japan ein Unternehmen erwerben will, muss sich darauf einstellen, dass der Entscheidungsprozess grundsätzlich mehrere Monate in Anspruch nehmen kann. Und in China braucht der Käufer auch nach Unterzeichnung eines Kaufvertrages viel Geduld, bis alle staatlichen Genehmigungen erteilt sind. Einige Branchen, wie der Internetsektor, sind als Akquisitionsziele nahezu ganz ausgeschlossen.

Mergermarket

Um weiteres Vertrauen in die angestrebte Transaktion gewinnen zu können, ist die dauerhafte Entsendung von eigenem Personal in die Unternehmensführung oftmals sinnvoll. Diese Mitarbeiter müssen im eigenen Unternehmen für den Auslandseinsatz erstmals gefunden werden.

Checkliste für Cross-Border-Transaktionen

Damit die grenzüberschreitende Transaktion kein unkalkulierbares Risiko wird, sollten folgende Punkte beachtet werden:

  1. Sorgfältige Vorbereitung und Analyse des zu akquirierenden Unternehmens
  2. Kenntnisse der geopolitischen Lage
  3. Abwägung der Eintrittsstrategien von der strategischen Kooperation oder einer Minderheitsbeteiligung über Joint Venture bis hin zur hundertprozentigen Übernahme
  4. Transparenz der Motive des Verkäufers
  5. Bereitstellung von ausreichenden Ressourcen im eigenen Unternehmen für die Begleitung der Transaktion
  6. Aufbau und Nutzung von lokalen Netzwerken wie beispielsweise Industriekammern, Wirtschaftsförderungsinstitute oder andere mittelständische Unternehmen mit bereits gesammelten Transaktionserfahrungen im jeweiligen Land
  7. Planung der Post-Merger-Integration bereits während der Akquisitionsphase
  8. Aktive Kommunikation der strategischen Ziele der Transaktion gegenüber den Schlüsselmitarbeitern des zu akquirierenden Unternehmens
  9. Erhalt umfangreicher Gewährleistungen im Kaufvertrag
  10. Professionelle Transaktionsbegleitung durch erfahrene Transaktionsberater vor Ort

Der Artikel erschien zuerst in Unternehmeredition im Dezember 2014. Header Pic © Ravil Sayfullin via Fotolia