22. Dezember 2016

Wie KircherBurkhardt und Burda C3 geschaffen haben. Making-of eines Content Marketing Champions

Inside the Deal

Sie mussten den Turbo anwerfen. Sofort. Eine mit Preisen überhäufte Agentur zu sein, das reichte nicht mehr. Um europaweit den Markt für Digitalagenturen aufzumischen, brauchten sie einen Partner.
Und die IEG – Investment Banking Group.

Prolog: Eine Frage des Vertrauens

UM GESCHÄFTE PER HANDSCHLAG ZU BESIEGELN, benötigt es eine gehörige Portion Vertrauen. Daran mangelt es im Geschäftsleben allzu oft. „Der Ersatz für Vertrauen heißt Governance“, sagt Stefan Heilmann, Managing Director der IEG – Investment Banking Group. Governance ist wie ein firmeneigenes Gesetzbuch: Was ist erlaubt, was ist verboten? Insofern ist Governance weniger der kleine Bruder von Vertrauen als sein Gegenentwurf.

Doch Misstrauen ist keine Basis für eine Partnerschaft, deshalb suchten Lukas Kircher und Rainer Burkhardt bewusst einen Partner, dem sie ihr Vertrauen schenken wollten. Einen, der sich für unternehmerische Freiheiten und schnelle Entscheidungen begeistert. Der sich nicht scheut vor der neuen, digitalen Welt, sondern darauf brennt, ihre Möglichkeiten zu erkunden.

Sie haben ihn gefunden. Seit Jahresbeginn 2015 sind Kircher und Burkhardt leitende Geschäftsführer von C3 – Creative Code and Content. Auch wenn dafür vielseitige Verträge unterzeichnet wurden, ist etwas anderes entscheidend für diese Fusion: Sie basiert auf Vertrauen. 

1. Die Chance: Den Turbo einschalten – jetzt!

DIE BERLINER AGENTUR KircherBurkhardt produziert Mitarbeiter- und Kundenmagazine für Unternehmen und Organisationen wie Bundeswehr und Deutsche Bahn, für ThyssenKrupp und Vodafone, für Obi und Center Parcs. Anfangs vor allem auf Papier, zunehmend online. Corporate Publishing nannte man das früher, heute Content Marketing, und bezeichnet damit das Geschäft mit guten Geschichten, wohl portionierten Inhalten, vom Buch bis zum Smartphone, von der globalen Vertriebsdatenbank bis zum PR-Newsroom. Wenn die Branche in Deutschland durchzählt, welche Agentur die meisten Preise gewonnen hat, steht KircherBurkhardt an der Spitze, Jahr für Jahr.

Klar hätten wir Qualitätsführer als Boutique-Agentur bleiben können, aber das wäre eine verpasste Gelegenheit gewesen. Wir sahen die Digitalisierung als Chance – und die wollten wir nutzen. Uns war klar, dass der Markt schneller wächst als erwartet und wir aus eigener Kraft so schnell nicht mitwachsen konnten. Wir brauchten also einen Turbo.

Lukas Kircher

Eine Top-Adresse also, ständig wachsend und profitabel. Was will man mehr? „Klar hätten wir Qualitätsführer als Boutique-Agentur bleiben können“, erzählt Lukas Kircher, „aber das wäre eine verpasste Gelegenheit gewesen.“ Die Chance nämlich, als digitale Content-Marketing-Agentur durchzustarten und die Konkurrenz abzuhängen: von Deutschlands Content-Marketing-Pionier zum Marktführer in Europa. Das digitale Geschäft wird immer wichtiger. „Uns war klar, dass der Markt schneller wächst als erwartet – und wir aus eigener Kraft so schnell nicht mitwachsen konnten“, erzählt Kircher. „Wir brauchten einen Turbo.“

Anders gesagt: einen Partner. Und zwar einen, der akzeptiert, dass Lukas Kircher und Rainer Burkhardt keineswegs die Kontrolle an den Turbo abgeben wollen. Einen Partner, der weniger Deutschland als vielmehr Europa in den Blick nimmt.

Bei diesem Sprung in die europäische Champions League hilft die IEG. Heilmann und Kircher kennen sich schon länger; der Banker hatte den Agentur-Mann in den IEG-Beirat aufgenommen, beeindruckt von Kirchers „blitzgescheiten, strukturierten und sehr andersartigen Analysen“.  Im Herbst 2013 kommt Kircher auf Heilmann zu: „Jetzt brauche ich mal deine Hilfe.“

Banken

Pros

Bieten Freiräume, halten sich weitestgehend aus dem Tagesgeschäft raus.

Cons

Sind auf Zahlen fixiert und wenn es schief läuft, harte Verhandlungspartner.

Heilmann hört zu, stundenlang, stellt Fragen. „Wenn wir beraten, müssen wir verstehen, was der Kunde will – und was er nicht will“, erzählt Heilmann. Als erstes lernt der Banker, wie wichtig diesem Kunden Vertrauen ist. Hätte Kirchers Partner Rainer Burkhardt nach einem Kennenlernabendessen zu dritt bei Sterne-Koch Tim Raue noch Vorbehalte gezeigt, wäre IEG außen vor geblieben. Was Heilmann nicht nur okay, sondern großartig findet: „Dieses blinde Vertrauen von Lukas Kircher und Rainer Burkhardt miteinander, das ist ihre große Stärke.“

Stefan Heilmann lernt noch etwas bei diesem siebenstündigen Abendessen: Für beide ist unternehmerische Freiheit entscheidend. Sind ihre Hände gebunden, ob durch Konzern-Governance oder zögerliche Finanzinvestoren, können sie nicht erfolgreich agieren. „Das war zentral – für Kircher und für Burkhardt“, erinnert sich Heilmann.

2. Partnersuche: Parship für Unternehmen

Finanzinvestoren

Pros

Ergebnisfokussiert. Sobald der Deal gemacht ist, stellen sie schnell viel Geld bereit.

Cons

Stark erfolgsorientiert. Stellen außerdem ihre Expertise als Wertbeitrag in Rechnung. Das kann das Ergebnis belasten.

IEG SPIELT VERSCHIEDENE SZENARIEN mit Kircher und Burkhardt durch: Welche Sorte Partner passt zum Unternehmen KircherBurkhardt? Was spricht für Banken oder Finanzinvestoren? Was spricht gegen sie? Was spricht für andere Agenturen? Was dagegen?  

Banken etwa, sagt Heilmann, „sind bei Schönwetter hervorragende Partner, die einem fast unendliche Freiheiten lassen“. Doch sobald es stürmisch wird, verwandeln sich Banker in die „wohl emotionslosesten Gegenüber, die man sich vorstellen kann“, Enteignung im Extremfall nicht ausgeschlossen. Finanzinvestoren wiederum scheuen vor Dienstleistern zurück, da diese stark abhängig sind von den Menschen an der Spitze – und weil sie selbst als Partner wenig Wertbeitrag beizusteuern hätten. „Wir haben solche Partnerschaften simuliert. Wie geschieht in Krisen? Wie realisiert man Wachstum, gerade durch Zukäufe im Ausland?“ So wurden per Ausschlussverfahren bereits viele Optionen verworfen.

Agenturen

Pros

Die inhaltliche Verwandtschaft kann Synergien und Wachstumsmöglichkeiten schaffen.

Cons

Sind Machtfragen geklärt? Denn nach Mergern kann es zu internen Kulturkämpfen kommen.

Vier Zielpartner bleiben übrig. Einer davon heißt: BurdaCreative.

Durchaus etwas überraschend: Wenn auch familiengeführt, ist Burda ein Konzern. Die Burda Media Holding sitzt in München und verlegt allein in Deutschland fast 100 Zeitschriften, darunter „Focus“ und „Bunte“. International werden etwa 300 Magazine publiziert. Allerdings verlagert sich das Augenmerk auf die digitale Welt; zum Burda-Imperium gehören unter anderem das Meinungsportal Holidaycheck, Haustierzubehör von Zooplus und die Mehrheit an Xing. Doch wie man es dreht und wendet: Bei Burda herrscht eine Governance-, keine Vertrauenskultur.

Kein Ausschlussgrund für die Berliner: „Vertrauen erarbeitet man sich“, sagt Kircher. Das geht allerdings leichter mit einem gewissen Vorschuss, und den vergebe er pauschal. „Wir denken immer, ,wird schon gut gehen’, und neun von zehn Mal klappt das auch.“ Beim zehnten Mal greife dann eben die Governance.

Für diesen Deal haben wir bei Burda keine einzige Kröte geschluckt. Wir wollen mit C3 der One-Stop-Shop für Marketingentscheider im Content Marketing werden und sind bereits jetzt die größte Content-Marketing-Agentur in Europa.

Gregor Vogelsang

Kircher und Burkhardt kennen die Kollegen von BurdaCreative natürlich, die Burda-Tochter für Content Marketing hat sich einen ordentlichen Ruf erworben, sie gilt als eine der Top-Adressen der Branche. Aber ticken zwei Top-Adressen immer gleich? „Wenn solch eine Frage auftaucht“ verrät Kircher, „setzen wir uns auf ein paar Whiskeys zusammen, bis ich die Motivlage der anderen Seite verstehe.“

Die Motivlage von BurdaCreative ist simpel: mehr Umsatz und Gewinn durch den frühzeitigen Einstieg in einen rasant wachsenden Markt. Und wenn es denn sein muss, mit Lukas Kircher und Rainer Burkhardt als Kapitäne, die den Kurs bestimmen.

„Wir wollen der One-Stop-Shop für Marketingentscheider im Content Marketing werden“, gibt Gregor Vogelsang, damals Geschäftsführer von BurdaCreative, als Ziel aus. Er sieht viele Wettbewerber, die sich auf den Weg machen, vom Content-Marketing-Dienstleister zur Digitalagentur zu werden. Doch, so Vogelsang, „wir sind die Schnellsten.“ Gerade weil das neue Unternehmen eigenständig handeln und entscheiden können soll, ohne hemmende Bürokratie.

Burda bremst sich bewusst selbst aus und überträgt Kircher und Burkhardt die operative Führung des fusionierten Unternehmens. „Das ist vorsichtig formuliert, ausgesprochen ungewöhnlich und sehr visionär“, sagt Stefan Heilmann. Und unnötig, finden Juristen und Controller bei Burda, erinnert sich der IEG-Banker an die Verhandlungen. „Aber Burda-Vorstand Philipp Welte hat das durchgeboxt.“ Und damit jeden Vertrauensvorschuss gerechtfertigt.

3. Der Prozess: Einigkeit um 4 Uhr morgens

TROTZDEM dauert es NOCH SECHS MONATE, bis die Verträge unterschrieben werden. „Wir wollten das hemdsärmelig durchziehen“, erinnert sich Kircher. Nur widerwillig lernt er, wie zeitraubend eine Fusion ist. „Das war teilweise sehr ermüdend.“ Wenn bei den Verhandlungen „ständig Juristen mit ihren Paragraphen dazwischen grätschten“, spielt er auf dem iPad „Civilization“. Wegzubleiben ist keine Option: Bei den für ihn zentralen Punkten klinkt sich Kircher ein. Wenn sich die Juristen über Kleinigkeiten streiten, hilft sein „egal, weiter“. „Das beschleunigt den Prozess“, sagt Kircher. Und er will so wenig Zeit wie möglich verlieren.

„Auch wenn es Verdruss auf beiden Seiten gab – schneller geht es nun mal nicht“, sagt Heilmann.  Schließlich müssen alle Eventualitäten berücksichtigt werden. Kurz vor der Vertragsunterschrift werden Rechte und Pflichten festgeschrieben: Wer haftet wann wofür? Wie werden Anteile wie berechnet? „Spätestens dann gibt’s auf einmal Sand im Getriebe“, sagt Heilmann, „da sitzt man schon mal bis 4 Uhr morgens.“

Bei einem Merger will niemand Gewinner und Verlierer haben. Da braucht es Partner, die eine gemeinsame Zukunft ansteuern. Das ist bei C3 der Fall.

Stefan Heilmann

Und schreit sich entnervt an? Nein, widerspricht Heilmann. Nicht dass er etwas gegen Lautstärke hat: „Schreien ist oft ein notwendiges Ventil, das passiert fast immer.“ Aber in den Verhandlungen zwischen Burda und KircherBurkhardt ist es niemals auch nur lauter geworden. Gregor Vogelsang sagt rückblickend: „Wir haben keine einzige Kröte geschluckt.“ Optimale Startbedingungen, findet Heilmann: „Bei einem Merger will niemand Gewinner und Verlierer haben. Da braucht es Partner, die eine gemeinsame Zukunft ansteuern.“

München, Odeonsplatz: Am 16. September 2014 schließen die Partner einen Vertrag für diese gemeinsame Zukunft. Burda Creative und KircherBurkhardt fusionieren zu C3 Creative Code and Content. Offizieller Start: Neujahr 2015.

Einen Tag später wird die Fusion verkündet: „Mit 59 Millionen Euro Umsatz und 400 Mitarbeitern wird C3 aus dem Stand zum Markt-, Qualitäts- und Innovationsführer im Content Marketing und zu den Top 5 der größten deutschen Digitalagenturen gehören. Dabei ist C3 die einzige Digitalagentur mit Spezialisierung auf Content, für den bei uns über 100 Journalisten verantwortlich sind.“

Gleichzeitig werden die Kunden beruhigt: „An unserer Geschäftsbeziehung ändert sich, außer einem erweiterten Leistungsspektrum,
mit dem Zusammenschluss nichts. Ihre vertrauten Ansprechpartner bleiben die gleichen.“

4. Das Ergebniss: Der digitale Turbo

Unser Ziel ist, Content Marketing weltweit auszuspielen.

Rainer Burkhardt

WAS HAT SICH SEIT DEM GEÄNDERT? Das Entscheidende nicht: Kircher und Burkhardt bestimmen als geschäftsführende Gesellschafter weiterhin den Kurs des Unternehmens, gemeinsam mit Gregor Vogelsang. „Unsere Skills ergänzen sich“, sagt Kircher. Er selbst sei der „Pauschalwahnsinnige“, Burkhardt der „Zahlenmensch“ und Vogelsang der Verhandlungsfuchs.

C3 wird längst ganz selbstverständlich als Digitalagentur wahrgenommen, die Expansion ins europäische Ausland läuft. „Da legen wir noch einen drauf“, sagt Kircher, gleichzeitig werden Optionen jenseits des Atlantiks erkundet. Neue Kunden mit neuen Aufträgen gibt es reichlich, etwa Peugeot, Siemens, Deutsche Telekom, Skoda, Fujitsu und Allianz. „Wir sind jetzt die größte Content Marketing Agentur in Europa“, sagt C3-Geschäftsführer Vogelsang.

Das ist offenbar nur ein Zwischenschritt: Seit November 2016 vernetzt sich C3 mit dem US-Marktführer MXM. „Wir schmieden mit MXM ein globales Content Marketing Network“, sagt C3-Geschäftsführer Rainer Burkhardt, der diese Allianz als großen Schritt bei der Internationalisierungsstrategie von C3 wertet. „Unser Ziel ist, Content Marketing weltweit auszuspielen.“ Könnte klappen: In den USA wurde C3 zur „World’s Content Marketing Agency of the Year 2016“ gekürt. Und wenn zum Jahresende gezählt wird, welche Agentur die meisten Preise geholt hat, steht jetzt eine andere Agentur an der Spitze: C3 Creative Code and Content. Jahr für Jahr.

Unsere Top 5 Erkenntnisse aus dem C3 Deal

  1. Beide müssen wollen 
    Nur wenn beide Unternehmen den Sinn eines Mergers erkennen, werden sie sich für ihn einsetzen. Im Fall von C3 wurde laut IEG-Chef Stefan Heilmann „eine sehr freundschaftliche Verhandlung um sehr viel Geld geführt“.
  2. Es darf keinen Gewinner geben,
    denn dann gibt es auch keinen Verlierer. Der wird aus der Unterlegenheit die Post-Merger- Integration hintergehen oder gar sabotieren.  
  3. Die Zahlen studieren. Auf den Bauch hören!
    Lukas Kircher und Rainer Burkhardt haben sich zwar die Zahlenwerke möglicher Partner genau angeschaut, für ihre Entscheidung letztlich entscheidend war, „bei wem es sich richtig anfühlt“.  
  4. Verhandlungen nie delegieren,
    sonst verheddert sich der große Wurf in kleinteiligen Streitigkeiten um Paragraphen. Auch wenn es anstrengt: Hier ist Chef-Präsenz notwendig.  
  5. Governance ist gut. Vertrauen ist besser.
    Schon heute ist der Gebrauch von Virtuel Reality in der Automobilindustrie ein bekanntes und praktisches.
Rainer Burkhardt und Lukas Kircher feiern das Signing.
Signing Countdown: Letzte Abstimmung der Verträge mit den Anwälten.