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Asia
29. September 2014

Chinas Börsengesellschaften investieren in Europas Familienunternehmen

Shenzhen Deren Electronic Co. Ltd (Deren) erwarb im August dieses Jahres 60% der Gesellschaftsanteile der Meta System S.p.A. (Meta), eines führenden italienischen Lösungsanbieters in den Bereichen Elektronik und Telematik. Die Mehrheitsbeteiligung ist beispielhaft für M&A-Transaktionen zwischen börsennotierten Unternehmen aus China und europäischnen Familienunternehmen.

Deren ist ein führender Hersteller von Streckverbindung und Kabelbäumen für elektronische Produkte im Consumer Products-Bereich, in der Automotive-Elektronik sowie in der Gebäudetechnik. 2014 lag der Umsatz des Unternehmens aus dem südchinesischen Shenzhen bei 400 Mio. EUR. Deren versprach sich durch eine Akquisition, Zugang zur Spitzentechnologie einer bekannten europäischen Marke sowie einem hochqualifiziertem Forschungs- und Entwicklungsteamzu erlangen. Voraussetzungen, die Meta sämtlich erfüllte.

Ein attraktives Zielunternehmen

Meta ist ein renommierter Zulieferer im Automotive- und Telematikbereich. Die hochmoderne Produktpalette umfasst u.a. Bordbatterie-Lademodule für Elektrofahrzeuge, Sensoren und Steuerungseinheiten. Das Unternehmen mit einem Umsatz von über 130 Mio. EUR im Jahr 2014 verfügt über langjährige Geschäftsbeziehungen zu deutschen OEMs und Marktführern wie BMW, Mercedes und Volkswagen. Eine besondere Stärke von Meta liegt in der Forschungs- & Entwicklungsarbeit. Das chinesische Unternehmen konnte mit dieser Akquisition Schlüsseltechnologien, ausgereifte Produkte, Systemlösungen und die Zulieferqualifizierung für die weltweit führenden Fahrzeughersteller erwerben. Hätte Deren versucht, eigene Expertise und Beziehungen für diese Bereiche in Europa aufzubauen, wäre dies mit diversen Hindernissen verbunden und insgesamt sehr zeitaufwändig gewesen.

Vorteile für Meta

Deren verfügt über ein landesweites Vertriebsnetzwerk in China mit Standorten u.a. in Shenzhen, Suzhou, Hefei, Wuhan, Chongqing, Mianyang, Shenyang, Qingdao sowie Hongkong und Taiwan. Zu den Kunden des Unternehmens zählen zahlreiche bekannte OEM-Hersteller. Mit einigen davon hat Deren strategische Partnerschaftenabgeschlossen. Auf diese Netzwerke kann Meta jetzt sowohl bei der weiteren Expansion der Geschäftsaktivitäten in China und dem übrigen Asien als auch beim Ausbau einer lokalen Produktion, eines eigenen Vertriebs und eines technischen Kundendienstes zurückgreifen. Hinzu kommen Synergieneffekte im Bereich Forschung und Entwicklung. Darüber hinaus benötigen die hochentwickelten Produktionslinien von Meta eine Mindestkapazitätsauslastung zur kostenoptimierten Produktion. Umso mehr ist die Erschließung Chinas als größten Automobilmarkt der Welt ein äußerst wichtiger Faktor. Meta profitiert außerdem vom Zugang zu günstigeren Materialbeschaffungskosten und der Möglichkeit bestimmter Produktionsprozesse intern kosteneffizient darzustellen. Nicht zuletzt sind im Rahmen dieser Trabsaktion dem Unternehmen auch beachtliche flüssige Mittel zugekommen, die es nun für zusätzliche Investitionen in Marketing, Branding und Forschung und Entwicklung einsetzen kann. Meta kann außerhalb Chinas weiter unabhängig agieren. Somit ist eine Fortführung des Kundeservices auf dem heimischen Markt gesichert.

Bewertungsplus bei Deren

Deren beabsichtigte von Anfang an, nur einen mehrheitlichen Kontrollanteil an Meta zu übernehmen, um die positiven Finanzzahlen gemäß chinesisch anwendbarer Rechnungslegungsstandards in seinen Geschäftsbericht konsolidieren zu können. Erst die Kontrollmehrheit ermöglichte Deren einen vollständigen Zugang zu Technologie nund zu den Kunden von Meta und lässt des Unternehmen an dem erwarteten signifikanten Umsatzwachstum des margenstarken Automobilelektronik-Geschäfts in China und Europa partizipieren. dadurch verbesserten sich unmittelbar die Umsatz- und Ergebnisprognosen von Deren. In der Folge kam es nach Veröffentlichung der Transaktion zu einer Rally: Der Aktienkurs kletterte von 14 RMB im März in der Spitze auf bis zu 73 RMB im Juni - ein Anstieg von 420%.

Herausforderung der Transaktion

Neben den großen kulturellen Unterschieden, dem Zeitlaufwand und den Anstrengungen, die nötig waren, um ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis aufzubauen, führten insbesondere die unterschiedliche Behandlung von finanziellen und rechtlichen Aspekten zu einer Reihe von Bewertungsproblemen und Risiken in Bezug auf die angedachte Transaktionsstruktur. Ein weiter wichtiger Punkt dabei waren die unterschiedlichen in China und Europa üblicherweise angewendeten Bewertungsmultiples. In China wird hauptsächlich das Kurs-Gewinn-Verhältnis für eine Berwertung herangezogen, da zum einen die chinesischen Rechnungslegungsgrundsätze keine explizite EBITDA-Position ausweisen und zum anderen die weit verbreitete Ansicht herrscht, dass jegliche Positionen vor dem Jahresüberschuss Bilanzierungsmanipulationen enthalten. In Europa dagegen ist das Heranziehen von EBITDA-Multiples sehr verbreitet, da der Jahresüberschuss oftmals steueroptimiert ist und die tatsächliche operative Wirtschaftskraft mit anderen Unternehmen erst durch diese Kennzahl vergleichbar wird. Somit sind europäische Unternehmen, die zwar eine ansehnliche EBITDA-Marge erwirtschaften, jedoch einen vergleichsweise niedrigen Jahresüberschuss ausweisen, mit dem Dilemma konfrontiert, dass sie aus chinesischen Sicht auf Basis des Kurs-Gewinn-Verhältnisse zu hoch bewertet sind. Dies könnte sich dann wiederum negativ auf die Kursentwicklung des chinesischen Erwerbs auswirken. Daher ist für die Kaufpreisermittlung entscheidend, dass die Unterschiede dieser zwei Bewertungsmethoden und der verschiedenen Rechnungslegungsstandards überbrückt werden können.

Funktion des Beraters

Für chinesische Investoren ist es in der Regel sehr schwierig, geeignete Zielunternehmen im Ausland zu identifizieren und anzusprechen. Eine erfahrene Investment-Bank mit lokaler Expertise und einem umfangreichen Kontaktnetzwerk kann hierbei sehr hilfreich sein. Für die Mehrheitsbeteiligung an Meta beauftragte Deren die auf grenzübergreifende Unternehmenstransaktion spezialisierte IEG - Kratos. Dabei gelang es den Mitarbeitern der Investment-Bank, die Unterschiede zwischen chinesischen und italienischen Unternehmern in geschäftlichen und soziokulturellen Fragen zu überbrücken. Beispielsweise isz es in Europa weit verbreitet, Teile der Sachanlagen,w ie Grundstücke, Gebäude und Produktionsanlagen, zu mieten. Für Chinesen ist dies eine sehr unangenehme Situation, da man in China gewohnt ist, sowohl das Land als auch das Gebäude mit sämtlichen darin enthaltenen Anlagegütern selbst zu besitzen, um sich abgesichert zu fühlen. Zudem sind chinesische Investoren oft nicht mit dem Closing-Prozess einer Transaktion vertraut und wissen nicht, welche Punkte hier zu beachten sind. Hierzu zählen vor allem die Gründung einer Zweckgesellschaft oder die Auswahl eines Notars. An dieser Stelle machte sich die professionelle Beratung für den chinesischen Käufer bezahlt.

Fazit

Bei der Akquisition des Mehrheitsanteils an dem italienischen Automobilzulieferer Meta musste das chinesische börsennotierte Unternehmen Deren einige Herausforderungen bewältigen. Deren hat jedoch durch die Trabsaktionen in vielerlei Hinsicht profitiert. Das Unternehmen konnte sich einerseits ein Standbein im europäischen Markt und Zugang zu komplementärer Technologie sichern. Andererseits konnten die Investoren des Erwerbs aufgrund positiver Entwicklung der Aktienbewertung profitieren.

 

 

Header Pic © Thorsten Schmitt via Fotolia

Lars Härle und Robert Shan über chinesische Börsenunternehmen mit Investments in Europa