3. Januar 2020

IEG mit Fokus auf Mobilität, Fintech und größere Deals

Das indische Joint Venture der deutschen Investment Banking Boutique ist ein florierender, early-stage Fond, der es sich zum Ziel gesetzt hat, circa USD 60m zu sammeln. Das ausschließliche Beratungsgeschäft hinter sich lassend, arbeitet das Unternehmen mit europäischen und südkoreanischen Family Offices zusammen. Des Weiteren sind zwei indische Family Offices involviert, die sich zum Ziel gesetzt haben vor allem in dem Mobilitäts-, Fintech-, Kredit- und Versicherungssektor zu investieren.

IEG – India wurde als gleichwertiges Joint Venture zwischen Mihir Kapoor und Stefan Heilmann, dem CEO der IEG Gruppe, aufgebaut. Mihir Kapoor hat zuvor bei dem niederländischen Investment Banking Riesen Rabobank gearbeitet. In einem Interview mit VCCIrcle diskutieren Mihir Kapoor und Stefan Heilmann über ihre Erfahrungen im Bezug auf internationales Investment Banking und wie sie diese auf den indischen Markt übertragen können sowie ihre Strategie größere Deals als Financial Advisor durchzuführen.

VCCircle: Was sind Ihre Pläne für das Beratungsgeschäft?

Kapoor: Unsere Dealgröße hat sich deutlich vergrößert in Bezug zu dem letzten Jahr. Wir sprechen von einer Größenordnung USD 25m für eine Series A in 2019/20. In 2020/21 werden es dann USD 50-75m für eine Series C sein. Wir wollen auch weiterhin Series A Deals machen; allerdings eher selektiv. Interessant sind dann vor allem Unternehmen, die wir von der Series A bis zur Series C begleiten können. In Indien muss man allerdings bedenken, dass sich lediglich 2 von 25 Deals im Bereich „Early-Stage“ bewegen. Dabei werden vor allem die Bereiche: Mobilität, Fintech, Kreditvergabe und Versicherungen im Fokus stehen. Insbesondere im Bereich Kreditvergabe werden viele Series C und D Runden abgeschlossen. Abgesehen von dem Beratungsgeschäft, planen wir außerdem unser eigenes Investment-Vehikel zu launchen. Wir sprechen mit europäischen strukturierten Kreditfonds, die an einem Investment in Indien interessiert sind. Eine große europäische Bank beabsichtigt, Kreditlinien zu vergeben, so dass wir ein Anlageinstrument lancieren, das Geld von mehreren Investoren zusammenfassen wird. Es besteht viel Interesse: Wir arbeiten mit zwei europäischen Family Offices zusammen, ein südkoreanisches Family Offices ist darüber hinaus ebenfalls interessiert, mit uns zusammenzuarbeiten und in das Investment-Vehikel einzusteigen. Auch indische Family Offices wollen investieren. Über den Fonds werden wir Investitionen in Höhe von USD 0.5-1m tätigen.

VCCircle: Warum kam der Wandel sich auf größere Deals im Beratungsgeschäft zu fokussieren?

Kapoor: Insbesondere B und C-Runden sind hart. Nicht alle Startups skalieren. Wir wollen uns nicht allzu sehr auf Series A-finanzierte Unternehmen konzentrieren, da diese oftmals nicht skalierbar sind. Im Mittelpunkt steht, wer in Zukunft strategischen Mehrwert schaffen kann. Strategische Investoren sind selektiv. Mobilität ist für uns ein riesiger Fokus, da wir in diesem Bereich viel Fokus von Strategen sehen. Größere Versicherungsgesellschaften sind besonders an Fintech- Unternehmen interessiert. Viele südkoreanische Fonds schauen auch auf Serie C-Deals, daher versuchen wir auch, in den südkoreanischen Markt einzusteigen.

VCCircle: Auf der Investment-Seite. Welche Märkte sind hier von besonderem Interesse?

Heilmann: Wir investieren nicht in den USA, da zum einen oftmals die Bewertungen zu hoch sind und zum anderen zu viele Banken in dem Markt agieren. In Europa liegt der momentane Fokus auf alles was mit Langlebigkeit zu tun hat: Gesundheitswesen, Sport, Ernährung und Daten-Monitoring. Wir schließen circa 3-4 Deals im Jahr ab. Es handelt sich um ein Principal Investment vehikel, somit steht es in der Bilanz. Unsere Investitionen werden über eine Zweckgesellschaft gelenkt, die sich mehrheitlich in unserem Besitz befindet. Wir haben Vorstandsmitglieder, die wir als 12 Apostel bezeichnen. Der Vorstand verfügt über vielfältige Branchenerfahrung. Sie bringen gegensätzliche Ansichten und Fachkenntnisse über unsere potenziellen Investitionen ein. Das Modell hat für uns gut funktioniert. In China hat sich einer unserer Geschäftsführer mit einer Provinz zusammengetan. Das dortige Fondsgeschäft wird also entweder von der Regierung oder von einzelnen Investoren unterstützt.

VCCircle: Wie schätzen Sie Ihre Erfahrungen in Indien bis dato ein?

Heilmann: Das Jahr 2015 war ein Wendepunkt für den Bereich Technologie in Indien. In dem gleichen Jahr konnten wir dann massive Investments von einigen globalen Fonds vermerken. Aber die Bewertungen und die Risikoeinschätzungen waren irrsinnig. Es wurden prinzipiell Term Sheets unterschrieben, ohne eine Bewertung festzuhalten. Was folgte war eine Katerstimmung in den Jahren 2016 und 2017. Auch die größten Namen hatten das Gefühl, dass sie zu viel gezahlt hatten. Allerdings haben vor allem die Reformen im Land dazu beigetragen, dass Entrepreneurs unterstützt wurden. Wie das aber oftmals mit Reformen so ist, ist dies ein langjähriger Prozess. Die mittelfristigen Aussichten sind allerdings fantastisch. Nach dem Handelskrieg zwischen den USA und China, sucht vor allem China nach neuen Partnern. In Asien ist einer davon Indien. Auch europäische Investoren wenden ihren Blick Richtung Indien, da hier viele neue Trends aufgegriffen werden. Wir haben eine langjährige Handels- und Industriepartnerschaft, sind im Bereich Technologie allerdings sehr langsam. Investoren suchen daher neue Talente, Qualität und wirtschaftliche Produktion in Indien. Die Investoren auf allen Stufen professionalisieren sich. Der Markt wird in den nächsten 20-25 Jahren hellwach sein. Nachdem wir uns also im Beratungsgeschäft etabliert haben, wollen wir auch schrittweise an der Investitionsseite partizipieren.

VCCircle: Was sind die anderen Investments in Europa?

Heilmann: Im Gesundheitswesen haben wir in ein digitales Gesundheitsunternehmen mit dem Namen DoctorBox investiert. Hier können Patienten elektronisch ihre Daten speichern. In Europa leben circa 117 Millionen chronisch-kranke Menschen. Diese müssen 2-3 Mal jeden Monat ihren Allgemeinmediziner aufsuchen. Das Unternehmen hat sich mehr zu einem Plattformgeschäft entwickelt, bei dem Mediziner, die mit dem Patienten interagieren müssen, auf unserer Plattform landen. Außerdem haben wir uns mit Sportarten auseinandergesetzt, die eher eine negative Assoziation auslösen, sprich Boxen, Spinning oder Joggen. Also, alles, was beständig ist oder Leidenschaft erfordert. Das Ziel war es, diese Sportarten in einem Lebensstil umzuformen. Also haben wir eine Kette an Cycling-Boutiquen gegründet. In dem ein komplettes Body-Workout auf dem Fahrrad absolviert. Es ist ein hoch-profitables Geschäftsmodell und man schließt keine Verträge ab. Es ist vor allem für Frauen mit Kindern zwischen 30 und 50 Jahren ausgereichtet, die generell keine Zeit für Sport haben und unglücklich mit ihrem Körper sind. Wir haben solche Modelle wie Peloton oder SoulCycle in dem USA gesehen und nach Europe gebracht. Im Bereich Deep-Tech Data Science haben wir in ein Unternehmen für haptische Technologien investiert. Der größte Trend im Bereich Mobile in den letzten fünf Jahren war die Kamera. Was kommt danach? Wir glauben, es ist die Haptik. Das heißt, man sieht, liest und hört etwas, und wenn man sein Handy berührt, fühlt man genau das, was man am Telefon tut. Wenn jemand einen Film sieht, in dem die Figur über Rasen läuft, fühlt man es am Telefon. Es gibt eine Software, die das, was Sie sehen, live in vibrierende Signale übersetzt. Diese Firma ist in Open Source und wird hoffentlich so etwas wie Dolby Surround Sound werden. Letzten Monat kündigte Apple an, dass sie Haptik auf ihre Telefone bringen werden. Wir haben also etwas mehr Zeit. Niemand hat sich diesen Raum angesehen und wir sind absolut marktführend in diesem Bereich.

VCCircle: Wie viele Investments wurden insgesamt getätigt.

Heilmann: Wir haben vor drei Jahren angefangen. Wir haben sechs aktive Investments, also haben wir 2-4 Investments pro Jahr in der Bilanz. Nur in China und Indien versuchen wir nach Investmentmöglichkeiten via Dritte. Dann werden wir als Co-Investor agieren. Die Idee für Indien ist es, Family Offices aus China, Indien und Europa zu finden, die über ausreichend Erfahrung im Bereich Entrepreneurship verfügen und mit uns investieren. Der Fond muss nicht unbedingt riesig sein, da wie einen anderen Ansatz im Bezug des Riskmanagements verfolgen. Die VC Fonds in Indien investieren hohe Summen in viele Deals mit der Hoffnung, dass dies funktioniert, da der Markt prinzipiell wächst. Das ist ein guter Ansatz, trägt aber viel Risiko. Unsere Limited Partners haben die erfahrensten Mitglieder in unseren Investment-Committee gesetzt. Grundsächlich agieren wir dann als Co-Investor. Das Investment-Committee ist essenziell für die Risikobewertung. Denn wir bewerten oder definieren ein Projekt dahingehend, wie wir das Geschäft spürbar verbessern können.

VCCircle: In welcher Phase investieren Sie generell?

Heilmann: Das ist unwichtig. Wir betrachten Phasen agnostisch. Wenn es sich um einen größeren Deal handelt, treten wir als Co-Investor auf.

VCCircle: Wie groß ist das Investment-Committee?

Heilmann: Wir begrenzen das Committee auf 12 Personen. Das können Limited Partner sein oder auch Externe, von denen wir überzeugt sind, dass sie wertvoll für unser Geschäft sind.

VCCircle: Mit dieser Investitionshöhe – wie planen Sie die Investitionen in Indien zu tätigen?

Kapoor: Wir sind flexibel Investitionen in allen Größenordnungen zu tätigen. Je nach Umfang und Größe investieren wir direkt oder treten als Co-Investor auf. Wir würden auch aktiv werden, sollte das betreffende Unternehmen auf eine Brückenfinanzierung angewiesen sein. Geplant sind Investitionen zwischen USD 0.5 und 1m. Auf globaler Ebene haben wir vor drei Jahren begonnen zu investieren und wir haben sechs aktive Investitionen am Laufen. Wir co-investieren durch den Fond. Wie gesagt, wir planen wir keine riesigen Investitionen mit dem Fond, da wie einen anderen Ansatz bzgl. Riskmanagements haben. Also um alles zusammen zu fassen. Wir planen mit vier Investitionen pro Jahr und wir setzen uns bzgl. der Phase keine Grenzen; egal ob Early oder Late Stage oder sogar eine Brückenfinanzierung. Wir wollen insgesamt USD 60m sammeln. Im Falle von Finanzierungs-möglichkeiten, die von globalen Finanzinstitutionen gesucht werden, würden wir nur ein Berater für diese Fremdkapitalanlagen werden. Dabei handelt es sich um USD 300m -schwere Fonds, die ein Investment in Höhe von USD 30-35m suchen.

VCCircle: Wie helfen Ihnen Ihre globalen Investitionen in Indien?

Kapoor: Wir sehen eine Menge gut finanzierte Technologieunternehmen aus Indien, die in Europa globale Akquisitionen tätigen. Oyo hat zum Beispiel eine Firma namens Leisure Group mit Sitz in Amsterdam erworben. Nicht allzu viele Akteure verfügen wie IEG über Expertise im europäischen Startup-Ökosystem. Ein Verkaufsmandat (in Indien) zu erhalten ist einfacher als in Europa. Es ist schwierig, ein gutes Unternehmen zu finden, das zum Verkauf steht, was den Mehrwert darstellt, den wir suchen. Es ist ein Verkäufermarkt in Indien.

VCCircle: Wie ist Ihr Geschäftsmix in den Regionen, in denen Sie präsent sind?

Heilmann: Wir haben 50 % des Umsatzes aus Europa, 40 % aus Asien einschließlich Indien. Indien wächst stabil, im Gegensatz zu China, das viele Wachstumsspitzen hat. Etwa 10% aus den USA, wo wir nur ein- oder ausgehende Geschäfte machen und nicht an lokalen Geschäften arbeiten. Außerdem wird das Geschäft, wenn es inbound ist, als Teil des europäischen Marktes verbucht. In Europa sind wir in den Kernmärkten Deutschland, Österreich, Schweiz, Spanien, Frankreich und Italien vertreten. In Großbritannien haben wir unser Büro geschlossen, was sich als eine gute Entscheidung herausgestellt hat. In Osteuropa schauen wir auf Polen und nicht auf die anderen Geografien dort, weil die Geschäfte kleiner sind. In der Türkei haben wir noch ein Büro. Die Abwertung der Währung und die politische Unsicherheit machen das Leben dort nicht einfacher. Wir sind auch in Abu Dhabi und Tunesien präsent. Andere Bemühungen, den afrikanischen Markt zu erobern, sind nicht zustande gekommen.

Das Interview wurde zuerst auf VCCircle am 31. Dezember 2019 gepostet.

 

 

 

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